Aus meiner Sicht, gibt es nichts Wichtigeres, als die Akzeptanz. Egal ob in der Partnerschaft, in der Familie, der Erziehung, in Freundschaften und auf der Arbeit oder eben auch in der Beziehung zu sich selbst.
Und gleichzeitig ist Akzeptanz so schwer und es gibt so viele Fehlkonzepte der Akzeptanz.
In dieser Folge erwarten Dich wie immer, fiktive Dialoge und Beispiele rund um das Thema der Akzeptanz, ich kläre über die verschiedenen vermeintlichen Formen von Akzeptanz auf, weise auf Fehlkonzepte hin und versuche Dir das Konzept der Akzeptanz mit Hilfe von Beispielen zu veranschaulichen. Im weiteren Verlauf gehe ich auf die Anzeichen bedingungsloser Akzeptanz ein, sowohl anderen, als auch Dir selbst gegenüber und schließe ab, mit einem ganz persönlichen Einblick in meinen Weg zur bedingungslosen Selbstakzeptanz.
Vielleicht nimmst Du den ein oder anderen Impuls für Dich mit, verstehst, warum Du gewisse Dinge/Themen/Menschen nicht loslassen kannst und warum sich nichts verändert - im Gegenteil, warum Du mehr und mehr frustrierst und Dich ausgeliefert fühlst.
„Jedes Jahr aufs Neue, nach den Feiertagen müsste es noch nen Feiertag geben, um den Schmerz und die Anstrengung mal auszukurieren…“, sagt Luisa beim letzten Glühwein des Jahres zu ihrer Freundin Mieke.
„War sie wieder so grausam?“, fragt Mieke besorgt.
„Grausam trifft es, ständig diese Spitzen, das Geschenk war falsch, trotz Wunschzettel auf Amazon, das Essen war ihr zu fettig und mein Kleid fand sie unangemessen.“
Mieke reißt empört die Augen auf: „Das Kleid war bombe! Und Deine Gans ist der Hammer!“, sagt sie ermutigend.
Luisa zuckt mit den Schultern.
„Du nimmst Dir das ganz schön zu Herzen, was?“
Luisa kneift die Augen zusammen: „Na ja, es ist halt meine Mama!“ Plötzlich wird ihr flau im Magen und sie ergänzt: „Wie war es denn bei Dir, alleine, ohne Familie?“
Mieke blickt nach unten: „Ich war traurig und fühlte mich alleine und dennoch war ich froh, dass ich es durchgezogen habe. Bereits am 2. Weihnachtstag fühlte ich mich sehr erleichtert, das war definitiv besser als in den Jahren davor!“
„Wie hast Du es denn geschafft, Dich da so rauszuziehen?“
„Na ja, ich hab mich nicht rausgezogen, sondern bin ja rein ins Gefühl…!“ Mieke hat offenbar nicht verstanden, was Luisa meint.
Luisa nickt und formuliert ihre Frage um: „Und woher hast Du den Mut genommen, den Kontakt abzubrechen? Loszulassen?“
„Na ja, ich habe halt gemerkt, dass ich das, wonach ich mich sehne, eh nicht von ihr bekomme. Ich hoffte all die Jahre darauf, irgendwann die liebevolle, fürsorgliche Mama zu haben. Hab versucht mich anzupassen, hab ihr Vorwürfe gemacht, war wütend und wurde enttäuscht und verletzt. Ich glaube ich habe akzeptiert, dass sie, auch wenn sie meine Mama ist, mir nicht gut tut und nicht das war/ist, was ich brauche. Das ist traurig und das ist halt einfach die Realität.“
„Also muss ich mich einfach Abfinden damit?“, fragt Luisa und kneift die Augen zusammen.
„Nee, Abfinden wäre ja das gleiche wie jetzt, nur ohne die Hoffnung auf Veränderung. Dich trifft es doch voll, was Deine Mama sagt. Aber wenn Du akzeptierst, wie sie ist, dann ist die Diskrepanz zwischen dem, was sie tun soll und dem was sie tut, ja auch nicht mehr so krass!“
Was macht dieser Dialog mit Dir?
Kennst Du die Verzweiflung, wenn Du Dich so sehr nach etwas oder Jemandem sehnst und es einfach nicht bekommst? Egal wie sehr Du Dich anstrenget und anpasst? Dich verstellst und bemühst?
Schlimmer noch, statt gesehen, gehört, verstanden und geliebt zu werden, wirst Du abgewertet - obwohl Du doch alles dafür tust, dass es endlich gut wird?
Gerade an Weihnachten, wo die Vorstellung davon wie es sein muss auch von außen so gehyped wird: Wir im stressigen Weihnachtsmodus eingelullt werden und uns auf dieses Fest der Liebe freuen sollen!
Aber auch in Beziehungen, die schon vor langer Zeit kein Ort der Liebe, Freude und Leichtigkeit mehr sind, gibt es dieses Phänomen, die Filme, die Bücher die einem suggerieren wie der/die liebevolle romantische Mann/Frau zu sein hat.
Da gibt es diese Vorstellung, die Realität und die oft große Diskrepanz dazwischen.
Und viele leiden unter der Gleichung: Anstrengung = „Erfolg“
Wir glauben also, dass es an uns liegt, wenn wir nicht „erfolgreich“ sind. Insbesondere wenn der „Erfolg“ mit Liebe, Zuneigung, Fürsorge und Anerkennung konnotiert ist, ist das frustrierend.
Wenn wir verstehen, welche Mechanismen und Muster wirklich wirken, sowohl bei Anderen, als auch bei uns selbst, dann fällt es uns leichter zu akzeptieren, weil mit der Akzeptanz keine Bedrohung unseres Selbst einher geht.
Wenn Du bspw. abgelehnt wirst, tut das weh, Du fragst Dich, was mit Dir nicht stimmt, wenn die Ablehnung aber gar nicht gegen Dich gerichtet ist, sondern Resultat von der Verzweiflung, Hilflosigkeit oder Ängsten Deines Gegenübers, dann fängst Du nicht an, an Dir zu zweifeln, dann wirst nicht Du bedroht und musst keine Maßnahmen zur Verteidigung, zum Gegenangriff oder eben den Rückzug einläuten. Das ist erleichternd und kann befreiend und heilend wirken.
Zurück zur Diskrepanz: Das Weihnachtsfest, Familie, die Beziehung, der Job, Menschen oder Gegebenheiten sind vielleicht nicht so, wie Du es Dir wünscht, dass ist traurig, aber offensichtlich wahr. Wenn Du es einfach hinnimmst, bist Du ausgeliefert: Ich kann es ja eh nicht ändern, ist halt so. Ich muss da durch. Oder Du nimmst es nicht als gegeben hin, der Veränderungsoptimismus setzt ein und mit ihm die Hoffnung, dass wenn Du Dich nur genug anstrengst, die Dinge besser werden. Beides sind keine Formen von Akzeptanz, sondern Fehlkonzepte.
Sich mit Menschen zu umgeben, die Dir nicht gut tun, ist wie Rosenkohl zu essen, obwohl Du ihn nicht magst.
"Ich finde mich damit ab, dass Rosenkohl angeblich schmeckt und zwinge mich dazu ihn zu essen."
Du hältst etwas aus, versuchst es Dir schön zu reden oder Dich "nicht so anzustellen" und überschreitest dadurch Deine eigenen Grenzen. Das sorgt für Frust, Anspannung, Wut und Ärger, doch all diese Gefühle dürfen nicht raus, können nicht reguliert werden oder sind schließlich gegen Dich gerichtet, Du ärgerst Dich dann entweder darüber, dass Du den Rosenkohl gegessen hast und Dir nun übel ist, oder darüber, dass Dir der Rosenkohl nicht schmeckt, den alle Anderen so feiern. Langfristig sorgt das für Verbitterung und einem fast chronischen Gefühl des "ausgeliefert seins". Du hast das Gefühl, keine Kontrolle mehr zu haben, keine Wahl zu haben und bist hilflos und einsam.
Ein bisschen positiver formuliert und dennoch das Gegenteil von Akzeptanz, der Veränderungsoptimismus:
"Ich versuche den Rosenkohl aufzupeppen, ich paniere ihn, überbacke ihn mit Käse oder vermische ihn mit Kartoffeln, um den Geschmack und die Konsistenz zu neutralisieren, damit er mir schmeckt."
Hier liegt dieser Irrglaube vor, dass etwas erst gut werden muss, damit ich akzeptieren kann. Ich möchte mich akzeptieren, wie ich bin und damit das gelingt, muss ich abnehmen, gelassener werden, mehr Geld verdienen, gesund werden, usw. Doch all diese Bemühungen richten sich ja gegen die Akzeptanz: Ich versuche etwas oder jemanden zu verändern, weil ich nicht gut finde wie es oder jemand ist. Ich verschließe die Augen vor der Realität und konzentriere mich auf eine Illusion meiner selbst, meines Gegenübers oder der Welt, wie ich sie gerne hätte und lebe nicht im Jetzt, sondern in einer Zukunft, für die ich nur noch die notwendigen Bedingungen schaffen muss: Wenn ich endlich einen besseren Job habe, einen Mann habe, schlank bin, meine Eltern stolz auf mich sind... Dann kann ich mich akzeptieren, wie ich bin. Merkste selbst, was?
Dieser Veränderungsoptimismus ist so anstrengend, es wird so viel Energie darauf verschwendet etwas zu erreichen, etwas zu mögen, zu bekommen, um immer wieder aufs Neue enttäuscht zu werden, ohne jedoch diese Enttäuschung als Ende der Täuschung wahrzunehmen.
Wenn Du Rosenkohl nicht magst, magst Du ihn nicht. Ihn immer wieder aufs Neue zu probieren und jedes Mal zu scheitern, egal wie viel Butter, Salz, Panade, Käse, Sahne oder Co. Du genutzt hast, sorgt für einen Teufelskreis aus Selbstabwertung, aus Scheitern, aus Frustration und permanenter Enttäuschung.
...auch wenn Dir das nicht gefällt. Dennoch ist es aktuell eben so.
"Ich akzeptiere, dass ich Rosenkohl nicht mag, auch wenn er gesund ist und alle ihn essen, verzichte ich darauf."
Du kannst versuchen, Dich von der Vorstellung die Du hast zu lösen und dann entscheiden ob Du Dich weiterhin dem Rosenkohl aussetzt - ohne ihn zu essen, oder nicht. Du wirst nicht verhungern, es gibt genug Gerichte die Dir schmecken, vielleicht hattest Du bisher nur keine Kraft danach zu suchen…?
Akzeptanz ermöglicht Veränderung. Nicht auf eine spirituelle oder esoterische Weise, vielmehr auf der rational-logischen: Solange ich den Fokus auf etwas lege, auf das ich keinen Einfluss habe, werde ich scheitern, es ist frustrierend, ich bin ausgeliefert oder und wütend. Wenn ich akzeptiere, dass ich auf etwas keinen Einfluss habe, dann kann ich den Fokus auf die Dinge legen, die in meiner Macht stehen. Nämlich die Freiheit selbst zu entscheiden, wie ich reagiere.
1. Du hast nicht das Gefühl, Deinen Gegenüber heilen zu müssen, sondern akzeptierst, dass er/sie anders denkt und fühlt als Du.
Das ist ehrlich gesagt, gar nicht so leicht. Neben den EGO-Aktivierungen (siehe Führt Dein Ego Deine Beziehung? oder auch Du und Dein Ego) gibt es gewisse Trigger, Verhaltensweisen oder Verhaltensmuster die Du abwertest, weil Du sie selbst kennst, nutzt oder eben auch einfach selbst darunter gelitten hast.
Und ein weiterer Aspekt, manchmal fehlt uns einfach das Vertrauen in den oder die Andere, wir glauben dann, wir müssten ihn/sie auf Schwächen hinweisen, Analysen anstellen, warum er keine Gefühle zeigt und sie alles kontrollieren will zum Beispiel. Hierdurch stellen wir uns über ihn/sie, werten ab, um uns selbst besser zu fühlen, uns selbst zu besänftigen: "Nein, ich will nicht zu viel, er ist einfach nicht in der Lage mir zu geben was ich brauche!" oder auch "Nein, ich mache nicht alles falsch, sie hat nur ein Problem mit Kontrolle!"
Oder um es kurz zusammenzufassen: Wir akzeptieren uns selbst eben (noch) nicht, daher ist unser EGO so groß und lässt uns manchmal eskalieren. Wir greifen aus Schutz zu destruktiven Strategien, wir können nicht vertrauen, weil wir bisher immer enttäuscht wurden und so weiter. Viele dieser Aspekte habe ich bereits in den Anderen Folgen des Selbstliebe-Dilemmas angesprochen.
2. Du kannst sagen, wie Du die Dinge siehst, ohne permanent den Drang zu haben, Deinem Gegenüber die Welt erklären zu müssen oder ihn/sie aufzuklären.
Dieser Rechtfertigungsmechanismus ist ebenfalls ein Zeichen von mangelnder Selbstakzeptanz. Es reicht nicht zu sagen, was Du denkst oder fühlst oder auch möchtest, es bedarf immer einer Erklärung, einer Rechtfertigung, als wolltest Du Dir selbst damit die Erlaubnis geben zu denken, zu fühlen und zu brauchen. Und wenn dann jemand anders denkt, Dir nicht zustimmt oder ein Bedürfnis nicht stillen kann, fühlst Du Dich abgelehnt und zweifelst an Dir oder bist wütend auf Deinen Gegenüber.
3. Wenn er/sie Dich nach Deiner Meinung oder einem Ratschlag fragt und diesen dann nicht befolgt, ist das vollkommen okay für Dich.
Ungebetene Ratschläge sind ohnehin meist Fehl am Platze, aber manchmal werden wir ja um Rat gebeten, wird dieser Rat dann nicht befolgt, hinterfragt und kritisiert, geschieht ähnlich wie bereits bei Punkt 1 und 2, wir fühlen uns abgelehnt, dabei hat das ja nichts mit uns zu tun, wir tragen weder die Verantwortung, noch die Konsequenzen, wie anmaßend, wenn wir dann wütend sind und wie sehr unser Ego uns scheinbar kontrolliert.
4. Du respektierst und erkennst die Art, wie er/sie mit Problemen, Stress oder Schmerz umgeht, an.
Manche Menschen ziehen sich zurück, andere weinen laut - auch vor Anderen, wieder Andere möchten reden, gehört werden, drehen sich immer wieder im Kreis, es scheint als suhlen sie sich im Selbstmitleid... Es gibt verschiedene Strategien der Selbstregulation, jede ist sinnvoll, gut und wichtig. Es bedarf hier vor allem Raum, Sicherheit, Verständnis und Mitgefühl, statt Druck, Ablehnung und guter Ratschläge. Doch manchen fällt das Aushalten schwer, weil sie sich nicht gut abgrenzen, sich verantwortlich fühlen und mitleiden, statt mitzufühlen. Andere sind genervt von zu viel Schwäche und Bedürftigkeit, weil sie beides ablehnen, auch für sich selbst und wieder Andere fühlen sich nutzlos und unwichtig, wenn man seine Sorgen nicht mitteilt.
Vertraue darauf, dass jeder Mensch gut ist, danach strebt sich selbst zu aktualisieren, jeder in seinem Tempo. Jeder mit den Fähigkeiten die ihm/ihr zur Verfügung stehen.
Ich kenne sowohl die Situation, nicht akzeptiert zu werden, als auch die Situation selbst nicht zu akzeptieren. Genau darum ist es mir so wichtig ist, dass beide Seiten verstanden und keiner abgewertet wird. Ich möchte nicht abgewertet werden, wenn ich es gut meine. Und ich möchte nicht abgewertet werden, wenn ich mich verunsichern lasse.
Wenn mein Ego mich kontrolliert, ich mich angegriffen fühle und entsprechend auf Verteidigung gehe, ich mich bedroht fühle und schwere Geschütze auffahre, dann ist das sicherlich nicht sonderlich konstruktiv, weder für mich noch für meinen gegenüber, aber ja ganz offensichtlich das Einzige, wozu ich gerade in der Lage bin.
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Mittlerweile gelingt es mir immer besser mich mit Ratschlägen zurückzuhalten, Raum zu geben statt zu nehmen.
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Früher war das anders. Früher wollte ich unbedingt gesehen und gehört und geliebt werden. Und dachte, dass ich u.a. durch kluge Ratschläge, genau diese Anerkennung bekomme. Ich galt als der Erklärbär. Menschen schätzten meine Meinung. Kurzfristig. Und selbst wenn ich mit meiner Analyse oder meinem Rat „recht hatte“, so hat sich niemand aufgrund dessen geändert. Im Gegenteil. Menschen fühlten sich eher klein, neben mir. Waren verunsichert. Insbesondere in der Partnerschaft.
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Das tut mir mittlerweile leid. ⠀
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Und gleichzeitig, verstehe ich mittlerweile auch, warum ich so gehandelt habe. ⠀
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Ich habe mich IMMER verantwortlich gefühlt. Ich wollte mich kümmern. Da sein. UND je nach Konstellation, selber gehört und verstanden werden. Ich wollte, das Menschen von mir profitieren, um meinem Dasein einen Sinn zu geben. Und wenn ich liebte, dann wollte ich so geliebt werden, dass ich endlich Frieden mit mir und meiner Vergangenheit schließen konnte.⠀
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Jeder Mensch hat seine Themen, seine Geschichte. Jeder Mensch hat Dinge, die ihn/sie stören. Ich kann niemanden ändern und ich kann mit Anderen nichts kompensieren. ⠀
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Selbstliebe, Akzeptanz, Heilung, Frieden, sogar Weltfrieden und eben auch Veränderung: All das beginnt in Dir. ⠀
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Nicht in mir. ⠀
Nicht in ihm. ⠀
Nicht in ihr. ⠀
In Dir.⠀
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Du bist willkommen auf dieser Erde, weil Du bist. Niemand wird sich für Dich oder wegen Dir ändern - außer Dir selbst. Niemand wird Dir inneren Frieden geben, Dich verändern oder Dir, den für Dich, richtigen Weg zeigen. Das kannst Du nur selbst. Und das darfst Du. Es gelingt, wenn Du akzeptierst. Nein, nicht resignierst oder Dich abfindest, sondern wenn Du Dich akzeptierst, wie Du bist. Dir verzeihst. Dich annimmst. Und den Fokus dann darauf legst, worauf Du einen Einfluss hast.⠀