Paartherapie, Personzentrierte Beratung & Weiterbildung
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Selbstliebe

Selbstliebe Lernen

Selbstliebe bedeutet nicht, dass ich mich für jeden Mist feiere. Ebensowenig wie Liebe bedeutet, den Anderen für jeden Mist zu feiern. Liebe bedeutet Akzeptanz. Selbstliebe bedeutet Selbstakzeptanz.

In meinem letzten Beitrag zum Thema korrigierende Erfahrungen habe ich bereits gegen Brigitte gebashed. Ich hoffe Du heißt nicht Brigitte - falls doch, nimm es bitte nicht persönlich. Ich hatte als Kind früher gar eine Nachbarin, die ich schätzte wie meine Mama, ihr Name war Brigitte, sie nähte für mich Kuschelkissen und passte oft auf mich auf.

Den Namen habe ich nur deswegen ausgewählt, weil es ja auch diese Frauenzeitschrift gibt und aus meiner Sicht genau für das steht, was eben das Probelm  der Selbstliebe und auch der Gesellschaft ist. Dieses Pseudo-Mental-Health-Gut-genug-Geblubbere. So akzeptiere Dich, wie Du bist, steht auf Seite 12 und auf Seite 26 gibt's dann die Tipps die bei Speckpolstern helfen oder Cremes, die Dich optimieren oder Tricks, wie Du einen Mann von Dir überzeugst. Warum funktioniert es dennoch und warum interessieren wir uns für all das? Weil mit unserer Hoffnung gespielt wird. Uns wird suggeriert, dass wir glücklich und erfolgreich sind, wenn wir gut aussehen, sportlich und schlank sind. Dann leiden wir nicht mehr. Und das ist absolut erstrebenswert. Her mit dem schönen Leben. Uns werden Dinge vorgegaukelt, an die unser EGO gerne glauben will.

Sicher hast Du schonmal drüber nachgedacht irgendwelche Wunderpillen, Cremes, Klamotten, Lampen, Kurse, Technologien (oder was auch immer es da gibt) zu kaufen, weil Dir etwas versprochen wurde, an was Du gerne glauben würdest.

So funktionieren übrigens auch sämtliche Heilversprechen und Kurse und Programme die Dir als TinyOffer für 40€ oder als Gamechanger-Masterclass-Deluxe incl. 1:1 Sessions und 24/7 Support für 15.000€.

Stell Dir vor, ich biete einen Kurs an, wir treffen uns 6x LIVE in einer Masterclass mit 50 anderen Menschen und für diese 6 Livetreffen verlange ich 40€ (Obacht, das ist der Early Bird Preis!). Ich erzähle Dir dann Dinge, die wahr sind, bezogen auf ein Thema Deiner Wahl: Selbstliebe bspw.
Ich werde coole Analogien präsentieren, die einleuchtend sind, ich werde Dir Erklärungsversuche liefern und gar für Korrektur sorgen. Ernsthaft, werde ich. Es wird Kleingruppen geben, Du wirst vielleicht einen neuen Menschen kennenlernen. Die Macht der Gruppe sorgt für Zugehörigkeit und im Anschluss geht es Dir besser. 40€ waren gut investiert, oder? Oder?

Ja, ich habe damit sicherlich nichts angerichtet, nichts falsch gemacht oder so. ABER was kommt danach? Liebst Du Dich selbst? Vermutlich nicht. Es ist wie so ein kleiner Serotonin & Dopamin-Rausch. Du freust Dich aufs nächste Angebot von mir. War ja so nett. Gleichzeitig beginnen vielleicht auch latente Selbstzweifel (zusätzlich zu denen, die dein Selbstkonzept und Deinen Selbstwert ohnehin schon stören.) Es klingt so einfach, aber vielleicht willst Du es nicht genug?! Strengst Dich nicht genug an? Bekommst hier so tollen Content, aber irgendwie reicht es nicht. Liegt wohl an Dir. Na ja, aber vielleicht hilft ja das nächste Angebot. Der nächste Kurs. Oder diesmal doch etwas mehr investieren?

Ich jedenfalls verdiene an so einem von 6 Abenden innerhalb von einer Stunde 333€ und das macht auch was mit mir. Klar. Warum sollte ich noch Beratungen á 100€ anbieten, wo ich mit Vor- und Nachbereitung, eigenen Fixkosten (Praxis, Nebenkosten, Kaffee...) gerade mal nen Stundenlohn von knapp 30€ brutto habe? Ich mach nur noch Kurse, da werde ich gefeiert, nicht mit individuellen Problemen konfrontiert und kann oberflächlich mit ner einseitigen Beziehung Geld verdienen. Und irgendwann coache ich dann Coaches und erkläre, wie ich es gemacht habe. Hier kann ich gar das Doppelte verlangen. Ich werde immer reicher auf Kosten von Menschen, die verzweifelt sind, indem ich Ihnen Hoffnung verkaufe.

Aber nein, ich werde Dich nicht heilen und ich werde nicht dafür sorgen, dass Du Dich selbst liebst. Du kannst sämtliche Podcasts gratis konsumieren, meine Bücher via Spotify (falls Du das eh in der Premium-Variante hast) gratis hören, meinen WhatsApp-Kanal abonnieren oder mir gar kleinere Fragen zusenden und ich veröffentliche Frage und Antwort anonym - sodass alle profitieren und Du auch das gratis bekommst. (Alternativ dazu gibt es aber auch eine schriftliche Beratung, falls es umfangreicher ist und Du auch nicht anonym irgendwo auftauchen möchtest.)

Nicht weil ich altruistisch bin, sondern weil ich für meinen Beruf brenne und es zwar ne ganz geile Idee ist sich durch das Marketing (Podcast, SEO, Instagram, ...) bezahlen zu lassen (winwin) oder ab und an ein bisschen Geld mit Tiny Offern zu generieren - aber beides sich für mich unstimmig anfühlen würde. Und wenn ich nicht stimmig bin, nicht authentisch, wie sicher kann ich für Dich innerhalb der Beratung sein? Wie wohl fühlst Du Dich bei mir, nach dem Konsum des vierten Kurses mit mehr Selbstzweifeln denn je? Ich mache meinen Job nicht, um zu missionieren, mich selbst zu heilen oder einfach reich zu werden. Es ist eine Berufung mit der ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene und das ist ganz schön großartig, dass ich davon leben kann und mir so viele Menschen ihre intimsten Sorgen, Gedanken, Emotionen, Geschichten und Konflikte anvertrauen.

Brigitte ist da anders.

Der Dialog

„Sag mal, Brigitte, wie hast Du es eigentlich geschafft, Dich selbst zu lieben?“

„Ach! Das war ganz leicht!“, winkt Brigitte ab und freut sich darüber ‚gesehen‘ zu werden.

„Echt? Zweifelst Du denn nie?“, fragt Lisa vorsichtig nach.

„Nee, also ganz ehrlich, ich war lange genug das Problem im Leben der Anderen, wenn jemand in mir Zweifel schürt, dann wird er entsorgt - so einfach! Daher solltest Du Dich übrigens auch dringend scheiden lassen! Aber das weißt Du ja selbst!“

Lisa wird flau im Magen. Sie senkt ihren Blick. Ja, es läuft gerade nicht gut mit Martin, aber sie weiß insgeheim auch, dass sie da nicht ganz unschuldig ist, doch sobald sie versucht mit Brigitte über ihre Schwächen zu reden, reagiert Brigitte meist damit, dass sie ihr widerspricht und sagt, sie würde doch vollkommen zu Recht aufregen. Einerseits tut diese Bestärkung gut, andererseits weiß sie ja, dass sie selbst oft verletzend ist und eher einen Rundumschlag macht. 

Brigitte unterbricht Lisas Gedanken: "Du musst halt einfach raus aus dieser Opferhaltung, Lisa! Du sitzt da wie ein Schluck Wasser in der Kurve, bemitleidest Dich selbst! Schau mal, wie gut mir die Trennung von Stefan tat! Das kannst Du auch!"

Lisa schüttelt den Kopf, immerhin hatten die beiden ganz andere Probleme, es gab auch keine Kinder: „Aber, ich…!“

Brigitte grätscht direkt rein: „Nee! Echt jetzt! Ich kann das nicht mehr hören!!! Du bist selbst Schuld!“

Lisa fühlt sich wie überfahren: „Na ja, also mit Martin, da… ich hab ja oft auch wirklich nicht gesagt, was ich möchte und dann ist es doch nachvollziehbar, dass er auf dem Schlauch steht!“

„Wenn er Dich schätzen würde, würde er es merken, wenn Du etwas brauchst! Tut er nicht. Also trenn Dich! Ich kann das echt nicht ertragen! Und wenn Du Dich selbst lieben würdest, dann würdest Du Dich nicht so behandeln lassen! Ich schick Dir gleich mal den Link zu dem Kurs, da kriegste die richtigen Glaubenssätze!“

Lisa mag Brigitte irgendwie von Tag zu Tag weniger, seit sie sich selbst liebt, ist sie zwar nicht mehr so hart zu sich selbst, aber hart ist sie weiterhin, zu Anderen. 

Wenn Selbstliebe das mit einem macht, dann möchte Lisa sich gar nicht selbstlieben.

Das Dilemma von Lisa, begegnet mir oft in der Praxis: Einerseits der Wunsch, endlich mit sich ins Reine zu kommen und andererseits ist sie selbst „Opfer“ von der vermeintlichen Selbstliebe ihrer Freundin Brigitte. Und das ist fatal, denn wenn Menschen DAS als Slebstliebe propagieren, dann ist es ja in der Tat nicht erstrebenswert. Sprüche wie: "Alle sagen, ich soll mich selbst lieben, aber ich steh halt nicht auf mich!" unterstreichen dann einmal mehr, wie fatal Selbstliebe doch eigentlich sei. Ein Konstrukt von Egoisten, die sich für was Besseres halten.

Und ich kann es verstehen.

Ich kann es gar erklären. Wir werten oft ab, was wir nicht haben können. Damit wir uns besser mit diesem Mangel fühlen. "Ach, ich bin doch nicht aus Zucker!" ein solcher Satz signalisiert, dass jemand wohl nicht sonderlich bedürfnisorientiert aufgewachsen ist, sondern, dass Bescheidenheit und Belastbarkeit belohnt wurden. "Ts! Selbstliebe, nein Danke, Menschen die sich selbst lieben meinen auch sie stehen über den Dingen!" Vermutlich gibt es die ein oder andere Brigitte und bisher unverstandene Hürden / Ängste / Erfahrungen /... die für eine Inkongruenz im Sein sorgen:

Ich bin genügsam, unkompliziert und fürsorglich. Außerdem sehr verantwortungsbewusst. Gleichzeitig wünschte ich, dass ich öfter mal meine Bedürfnisse benennen könnte und sich jemand um mich kümmert, aber eigentlich brauche ich nichts. Ich schaffe das schon alleine. Und ich ärgere mich oft über Menschen, die ständig um Hilfe bitten. Als hätte ich keine eigenen Sorgen. Aber gut, ich bin eben auch sehr belastbar und möchte, dass es den Menschen in meinem Umfeld gut geht. Aber ich ärgere mich auch darüber, dass ich nicht "Nein" sagen kann. Gleichzeitig bin ich aber auch ganz froh, dass ich so hilfsbereit bin. Ich bitte nur im Notfall um Hilfe und da kann ich froh sein, wenn da tatsächlich mal jemand reagiert.

Inkongruenzen sind Widersprüche im Sein, im Fühlen oder im Handeln. Es ist ein 'Einerseits' und 'Andererseits'. Ein hin und ein her. Und oft auch ein Herz gegen Kopf. "Ich weiß, dass ich schwach sein darf. Wenn ich schwach bin, sehne ich mich danach, dass da jemand ist, der mich aushält. Aber wenn ich schwach bin, dann schäme ich mich so sehr, dass ich eher im Stillen leide. Dann fühle ich mich einsam und ungeliebt."

Und wenn wir selbst schon so widersprüchlich und paradox sind, uns kaum verstehen, dann suchen wir nach Erklärungen im Außen oder aber werten ab, was wir nicht haben können.

Die Auflösung

Selbstliebe, ja, aber bitte nicht auf Kosten Anderer. Diese Fehlkonzepte der Selbstliebe, die falschen Vorbilder der Gurus dieser Welt, die es angeblich verstanden haben und dabei den Blick für ihre individuelle, vielleicht priviligierte Situation vergessen. Die gute Absicht einerseits, das Fehlen von Empathie auf der anderen Seite.

Und Brigitte? Brigitte steckt im gleichen Dilemma, sie würde sich so gerne selbst lieben, scheitert jedoch nach wie vor, aber fühlt sich zumindest nicht mehr schlecht dabei. Dafür tun das Andere.

Selbstliebe bedeutet Selbstakzeptanz, ich bin mir darüber bewusst, dass ich, wie jeder, Schwächen und Fehler habe, dass ich nicht immer so reagiere, wie ich es gerne würde, dass ich Bedürfnisse habe, wie jeder Mensch und das ich lediglich ein Teil dieser Gemeinschaft namens Menschheit bin.

Ich habe in diesem Podcast spontan einige vermeintliche Selbstliebeparolen aufgeschrieben, und werde sie hier nach und nach präsentieren und versuchen die Fehlkonzepte aufzulösen.

Nein, ich bin alles Andere als perfekt und auch wenn ich aus der Ich-Perspektive spreche, so bin ich mir darüber bewusst, dass auch ich noch lange nicht so handele, wie ich es gerne würde. Aber ich strebe dieses Ziel an, das Ziel der bedingungslosen Akzeptanz, das was mir in der Beratung meist gelingt, im privaten jedoch immer wieder eine Herausforderung darstellt.

Dinge, die Menschen NICHT sagen, wenn sie sich selbst lieben.

„Wenn Du mich nicht verstehst, dann ist das Dein Problem!“
Falsch. Ich strebe nach wie vor danach, gesehen, gehört und verstanden zu werden. Nicht mehr um jeden Preis, ja. Aber ich kann mich durchaus für mich einsetzen und sehe mich in der „Eigen“Verantwortung, Verständnis zu bekommen. Es ist nicht „Dein Problem“, sondern „unser Problem“ und erst wenn es keine Bereitschaft gibt, kann ich mich - ohne jemanden zum Täter/Problem zu machen - von dem Teil der Eigenverantwortung verabschieden. Niemand muss sich erklären, rechtfertigen oder muss Rede und Antwort stehen. Aber Menschen, die einem wichtig sind, von denen möchten wir verstanden werden. Klar, bedingungslose Akzeptanz in jeder Lebenslage klingt irgendwie erstrebenswert. Aber könnte auch rasch ignorant oder willkürlich wirken.

Wenn ich also plötzlich aufhöre Fleisch zu essen, dann muss ich mich nicht rechtfertigen oder erklären. Es gibt viele naheliegenden Gründe das zu tun: Tierwohl, Umwelt, Klima, Gesundheit.

Wenn ich mich von dem Mann trenne, den meine Familie und meine Freunde so gemocht haben, dann muss ich mich nicht erklären. Auch wenn es keine (aus Sicht meiner Familie und Freunde) naheligende Gründe gibt.

Und wenn ich plötzlich ganz viel Gewicht verliere und darauf angesprochen werde, muss ich niemandem von meiner Erkrankung erzählen.

In allen drei Fällen, kann ich es aber tun. Ich kann meiner Familie erklären, was für mich die entscheidene Info war, auf Fleisch zu verzichten, vielleicht war oder ist ihnen das gar nicht bewusst. Ich kann erzählen, dass die Beziehung zu dem 'ach so tollen Mann' sehr einseitig und oberflächlich war, und ich mich oft abgewertet und kritisiert gefühlt habe und vielleicht bekomme ich dann Verständnis und Raum. Und wenn ich von meiner Erkrankung berichte, wird vielleicht mehr Rücksicht genommen und ich bekomme Unterstützung.

Schön, wenn das passiert, ohne mich erklären zu müssen. Aber wir Menschen denken in Kategorien, so funktioniert unser Gehirn, wir leiten etwas naheliegendes ab und je nach Prägung, Erfahrung und eigener Situation fühle ich mich durch die Info, dass jemad vegetarisch ist vielleicht abgelehnt, eingeengt oder habe ein schlechtes Gewissen, fühle mich gar provoziert. Vielleicht wurde ich kürzlich verlassen und reagiere entsprechend abwehrend auf dei Info, dass meine Schwester gerade den Mann verlassen hat, der so toll war. Vielleicht versuche ich gerade abzunehmen und es gelingt nicht und ich unterstelle meiner Freundin, dass sie das bestimmt auf eine ungesunde Art und Weise geschafft hat, so viel Gewicht zu verlieren. Das ist alles nachvollziehbar und menschlich. Wir haben keinen Einfluss auf unsere Impulse, Gedanken und Gefühle - wohl aber darauf, wie wir damit umgehen, ob wir flexibel bleiben, refelktieren, vielleicht kurz durchatmen und dann nachhaken, falls wir nicht sicher sind.

Wenn wir dann als Antwort bekommen, dass es nicht die Aufgabe des Gegenübers ist, sich zu erklären, ist das ein klares Signal für das Verlassen der "Beziehung" - vielleicht aus Schutz? In dem Fall hat jemand vielleicht keine Lust mehr 'verkannt' zu werden oder sich zu rechtfertigen, voll okay, aber sicherlich kein Satz von jemandem, der mit sich im 'Reinen' ist. Jemand der mit sich im Reinen ist, ist gerne bereit sich zu zeigen und zu erklären, um verstanden und akzeptiert zu werden.

„Meine Meinung ist korrekt, wer sie nicht hören will, darf gehen.“
Ich erlaube mir, mich selbst zu reflektieren und meine Ansichten zu verändern, ich bin offen, weil ich weiß, dass ich nicht an Wert verliere, wenn ich mal Unrecht habe und kann meine Meinung auch ohne Abwertung anderer Ansichten vortragen. Niemand muss gehen. Ich halte verschiedene Perspektiven aus, ohne mich persönlich angegriffen zu fühlen. Ich fühle mich in Dikusssionen weder genötigt, noch unter Druck gesetzt mich zu rechtfertigen und ich kann an meiner Meinung festhalten, auch dann wenn sie niemand Anderes bestätigt. Mir ist bewusst, dass die Wahrnehmung des Einzelne, die Prioritäten, die Erfahrungen und auch das vorhandene Wissen, Fehlkonzepte oder Missverständnisse die Meinungsbildung beeinflussen und auch ich davor nicht geschützt bin. Fake News könnten auch mich beeinflussen, daher schätze ich den Austausch mit Anderen eher, als ihn zu meiden, weil ich in jedem Fall etwas lernen oder mitnehmen kann und sei es, dass ich mich in meiner Meinung bestärkt fühle.

„Schau her, wie weit ich es schon gebracht habe!“
Mit Druck und Abwertung erzeuge ich keine intrinsische Motivation. Außerdem weiß ich selbst gut genug, dass wir alle individuell sind, ich vielleicht in gewissen Bereichen privilegierter bin und in anderen eben nicht. Das gilt auch für Mitmenschen. Daher stelle ich mich nicht über Andere, sondern begegne auf Augenhöhe - ohne meine Leistung abzuwerten. Ich kann auch stolz auf mich sein, ohne meine Leistung zu jemand Anderem ins Verhältnis zu setzen.
Ich habe Themen und Baustellen, wie jeder Mensch und sicher auch Inkongruenzen, die mir eben (noch) nicht bewusst sind. Klar fühlt es sich toll an, wenn man jemandem etwas erklären oder helfen kann. Aber ein direkter Vergleich, wäre wie diese Grafik angelehnt an Bordieu, bei dem ein Fisch, ein Affe, ein Elefant und ein Hase alle die gleiche Aufgabe bekommen: Wer als erstes auf dem Baum ist hat gewonnen! Menschen die missionieren wollen, sich über Dich stellen und meinen, sie waren mal genau dort, wo Du warst und kennen den Ausweg, sind vermutlich die Affen, die oben in der Baumkrone auf den Hasen, Elefanten oder Fisch schauen.

Klar gibt es Sachinformationen, die gut vermittelt werden können. Wer sich also mühsam etwas zum Thema SEO angeeignet hat und anderen dann mit dem Wissen helfen möchte, der darf gerne präsentieren, dass er / sie mit dem Suchbegriff xy auf der ersten Seite bei Google steht. Aber das lässt sich eben nicht auf Persönlichkeit oder Selbstliebe übertragen.

FunFact: Ich war 2011 (also vor 12 Jahren) alleinerziehend und ohne Berufsausbildung, hatte kein eigenes Einkommen und wohnte vorübergehend bei meinem Papa. Daraus könnte ich gut ne Erfolgsstory machen, oder? Also das ist wahr. So war das damals.
Allerdings hatte ich eben einen Papa, der mir bei der Kaution und der Einrichtung meiner neuen Wohnung half, ich hatte Abitur und bekam elternunabhängiges Bafög, sodass ich studieren konnte, ich bekam im zweiten Semester einen Job an der Uni, sodass ich trotz Kleinkind neben dem Studium arbeiten konnte (mehr noch, an der Uni mein eigenes Büro hatte). Unmittelbar danach bekam ich durch Vitamin B ein Jobangebot und durch einen Zufall begann ich die Weiterbildung zur Personzentrierten Beraterin. Der Papa meines Sohnes, kümmerte sich zuverlässig am Wochenende und in den Ferien um ihn und auch die Weiterbildungen am Wochenende konnte ich ohne externen Babysitter ermöglichen. Das lag nicht an meinem M I N D S E T oder meiner S E L B S T L I E B E sondern an Privilegien, glücklichen Umständen und eben einer sozialen Absicherung.

„Raus aus der Opferhaltung!“
Ich mache Opfer nicht zu Tätern. Auch dann nicht, wenn sie sich selbst Leid zu fügen, weil sie nie gelernt haben „Verantwortung für sich selbst“ zu übernehmen. Und erst Recht nicht, wenn die Täter eben von außen vorhanden waren oder sind - auch dann nicht, wenn es im Außen Sicherheit gibt, weil ich verstehe, dass Angst auch ohne akute Gefahr vorhanden sein kann. Wenn ich Kapazitäten habe, gebe ich Verständnis und Sicherheit.

Vielleicht kennst Du so jemanden, der/die oft jammert, sich beschwert, über den Job, den Partner oder die Partnerin, der/die über zu viel Stress klagt und über zu wenig Zeit, aber nie irgendwas tut, damit sich etwas verändert. Du hast schon Stellen rausgesucht, ne Paartherapie empfohlen und gar das 'Autogene Training' von Johannes Förster verschenkt oder zumindest seinen Entspannungshelden Podcast.

Das ist frustrierend. Für euch beide. Rasch könnte man dazu tendieren, so etwas zu sagen: "Oh mann, Du bist doch selbst Schuld! Ständig beschwerst Du Dich, aber ändern willst Du nichts. Du nimmst immer wieder diese Opferhaltung ein."

Dieser vermeintlich "Mangel an Eigenverantwortung", durch das 'sich beschweren, aber nichts verändern' hat in den Seltensten Fällen etwas mit Faulheit zu tun. Vielmehr geht es um Ängste, Sorgen andere vor den Kopf zu stoßen, Schwierigkeiten beim 'Grenzen setzen' und so weiter. Dieses Beschweren und Meckern ist dann die Möglichkeit den Frust und Ärger dosiert rauszulassen, um eben nicht zu verbittern. Im Idealfall bist Du also da, hältst aus, statt Dich verantwortlich zu füheln (Mitleid vs. Mitgefühl) und fragst mal nach, warum ein neuer Job keine Option ist. Neugierig und offen. Nicht wertend und hinterfragend. Oder vielleicht hörst Du mal nur zu? Dieses permanente Reingretschen, Tipps und Lösungen dient meist eher Dir selbst, als Deinem Gegnüber. Du fühlst Dich wirksam, kannst helfen und ach was sagen. Aber meist stören diese Zwischentöne den Fluss, das Gegenüber muss dann erklären, warum es bisher keine Paartherapie in Betracht gezogen hat. Warum der Job nicht nur schlecht ist und der Fokus wird aufs Festhalten gelenkt, statt auf das Loslassen, was vielleicht wirklich besser wäre.

Klar, kann man nun sagen, selbst Schuld, wenn jemand nicht lernt 'Grenzen zu setzen' oder nicht 'zur Therapie geht', aber meist ist ja die Gefahr noch spürbar, auch wenn sie lange vorüber ist. Die Abwertung, vielleicht auch Scham oder andere Ängste. Frage Dich mal, warum es Dich so ärgert, Menschen dabei zuzusehen, wie sie nichts aus eigener Kraft verändern und Dich dann auch noch zum Mitgefühl 'zwingen' oder Du das Gefühl hast, helfen zu müssen? Warst Du vielleicht auch alleine? Hattest keine Wahl? Und niemanden der Dir zugehört hat? Na dann weißt Du ja ziemlich genau, was geholfen hat - es waren sicher keine Parolen, Kalendersprüche oder Ratschläge, die andere eher sich selbst gegeben haben.

„Ich bin nicht schuld, Du bist schuld!“


Schuld ist ein umstrittenes Wort, zu Recht. Es gibt Dinge, die sind in meiner Verantwortung, aber mir fehlte die Kraft, der Mut oder das Bewusstsein, dieser nachzukommen. Aus Gründen. Ich begegne mir mit Akzeptanz. Ich begegne auch Dir mit Akzeptanz. „Ja, Du hast mir weh getan, ich bin traurig, Du hättest das verhindern können, hast es aber nicht, aus Gründen.“

Trauer hilft mir beim Verarbeiten. Ich muss Dir keine Schuld geben, um traurig zu sein, dass darf ich so oder so sein, wenn ich es bin. Schuld würde von meiner Trauer ablenken und Wut erzeugen, die im stillen zur Verzweiflung und Frustration bis hin zur Lethargie führen kann, sofern ich sie nicht ausleben kann. Wut kann aber hilfreich sein, absolut, Wut treibt an, gibt Energie und Kraft, sofern sie raus darf. Sie kann beim Trauerprozess für eine kurze Pause sorgen. aber hier geht es nicht um Wut, sondern um Schuld. Und viele versuchen sich mit der Schuldfrage abzulenken, weil sie sich vor Trauer und Wut schützen wollen. Oder aber geben eben Anderen die Schuld und damit die Verantwortung, weil sie sich ohnehin immer und für so vieles schuldig fühlen und schämen.

Jemand der also mit Selbstliebe wirbt, was letztendlich bedeutet, dass man sich selbst mit seinen Stärken udn Schwächen annimmt und akzeptiert und einsteigt mit: Du bist selbst Schuld! Oder "Ich kann ja nichts dafür, dass Du noch an Dir zweifelst, trotz meines tollen Kurses..." der hat die Basis der Selbstliebe offenbar noch nicht verstanden. Jemandem dabei zu helfen sich selbst zu verstehen und zu akzeptieren und dann Schuld und Scham auf ihm/ihr abladen ergibt so viel Sinn, wie Toffifee nach nem Fitnesskurs für Diabetiker zu verteilen. Es fehlt ja an Strategien mit Scham und Schuld umzugehen, wenn man sich selbst abwertet. Danke also für noch mehr Scham und Schuld, weil Du Deine nicht aushältst?!

Du erinnerst Dich, dass Brigitte in echt ja auch noch zweifelt, aber mittlerweile gelernt hat die eigenen Schuld und Schamgefühle, sowie die Zweifel und Abwertungen in ihr einfach an den nächsten weiterzugeben. Sie zweifelt noch daran, ob es gut war Stefan zu verlassen. Wenn Du jetzt auch Deinen Mann verlässt, dann ist sie nicht mehr alleine und fühlt sich bestätigt.

„Du musst Deine Komfortzone verlassen, sonst bist Du selbst Schuld.“
Es ist vollkommen okay, für Komfort zu sorgen. Wer sich in seiner Komfortzone nicht wohlfühlt, wird sie früher oder später verlassen. Who am I to judge? Und falls er/sie sich unwohl in der Komfortzone fühlt und mich fragt, was er/sie tun kann, höre ich genau zu, wenn ich helfen möchte, statt mir Parolen um mich zu werfen. Siehe den Punkt der Opferhaltung weiter oben. Gleicher Konflikt, mal wird es als Opferhaltung und mal als Komfortzone deklariert.

„Wer meine Grenzen überschreitet ist toxisch!“
Grenzüberschreitungen sind nicht per sé bösartig. Wie oft, hätte ich mir gewünscht gesehen zu werden und Hilfe zu bekommen, ohne darum bitten zu müssen? Per Definition eine Grenzüberschreitung, wenn ich sage, ich schaffs alleine.
Es gibt einen nachvollziehbaren Grund, ich muss deswegen noch lange keine Grenzen überschreiten lassen, nur weil es jemand „gut meint“, aber ich muss auch niemanden abwerten oder unterstellen er/sie sei toxisch, um meine Grenzen zu wahren.

Diese fürsorglichen Grenzüberschreitungen, gehen meist von den Menschen aus, die sich selbst danach sehnen, dass ihnen geholfen wird, ohne dass sie darum bitten müssen. Wer nicht um Hilfe bittet, kann nicht als schwach, bedürftig oder hilflos gesehen werden, nicht abgelehnt werden und nicht enttäuscht werden. Das Problem: Meist gelten ja die Menschen, die so fürsorglich grenzüberschreitend sind, immer anbieten nen Kuchen zu backe, beim Umzug helfen und ständig Zeit haben um eben zu unterstützen, als so stark und autonom, dass ihnen erst recht keine Hilfe angeboten wird.
"Sollte ich anbieten einen Kuchen  zu machen? Ach Quatsch, sie backt so gerne, sie bringt ja sgar unangekündigt Kuchen mit, wenn sie zu mir kommt, das wäre Quatsch."
"Komisch, sie hat gesagt, dass sie umzieht, aber gar nciht gefragt, ob ich helfen kann. Na ja, vermutlich hat sie schon reichlich Helfer - ich habe ja eh kaum Zeit."

Zweites Dilemma: Wenn Du diesen Menschen, denen das so unangenehm ist, um Hilfe zu bitten, dann Hilfe anbietest, wird die Not meist bagatellisiert: "Ach, Quatsch, Du die Werkstatt, dass sind doch nur 7km, die laufe ich einfach. Du brauchst mich nicht fahren. Echt nicht." Und wie fühlt sich das Gegenüber, dass gerade angeboten hat zu fahren? Ziemlich mies. "Mal eben 7km? Ihr ernst. Krass. Aber gut, mehr als anbieten kann ich nicht." Das Gegenüber fühlt sich abgelehnt und klein und schwach. Kleiner Hinweis auf den Beitrag, dass der Mangel an verletzlichkeit ansteckend ist.

„Du musst Dich selbst lieben…“
Ich bin mir über die Fehlkonzepte der „Selbstliebe“ bewusst und weiß auch dass Menschen liebenswert sind, unabhängig von ihrer eigenen Sicht auf sich selbst. Ich beschäme niemanden, mache ihn/sie zum Opfer oder signalisiere ganz subtil, was sie doch für Loser sind, weil es ja eine ganz einfache Lösung gibt. Es ist nicht einfach, nicht schwarz-weiß, ich begegne mit Akzeptanz, Neugierde und Mitgefühl - sofern mir mein Gegenüber wichtig ist und ich Kapazitäten habe. Trifft eines der beiden nicht zu, schweige ich lieber, statt abzuwerten und noch mehr Leid zu verursachen.

Es ist verdammt schwer, sich anzunehmen und sich selbst einen Wert beizumessen, wenn einem Jahre lang signalisiert wurde, dass sich das entweder nicht gehört: Eigenlob stinkt! oder aber, dass es eben keinen Grund gibt, sich selbst irgendwie toll zu finden, in den Vordergrund zu stellen oder zu mögen. Wenn 'Selbstliebe' so einfach wäre, wie alle signaislieren, dann wäre dieser Markt nicht so millionenschwer. Sich selbst zu lieben, zu akzeptieren, ist eine lebenslange Aufgabe, mit immer neuen Heruasforderungen und es geht selten darum, was wir dann tun, wie wir entscheiden oder handeln, wenn wir uns selbst lieben, sondern vielmehr darum, wie wir dann mt uns umgehen.

Ich kann mich selbst lieben und über Grenzen gehen. Der Unterschied zu permanenter Grenzüberschreitung, weil ich meine immer etwas TUN zu müssen, mich anstrengen zu müssen, um liebenswert zu sein?

Ich gehe liebevoll mit mir um, tröste oder belohne mich für eine Situation, in der ich mal wieder eine Grenze überschritten habe. Ich habe Mitgefühl, sehe mich und bin mir dankbar. Statt kcih wie üblich daran zu orietieren, ob ich mit meiner enormen Anstrengung auch tatsöchlich das erreicht habe (Anerkennung, Liebe, Lob, Dankbarkeit), was ich erreichen wollte, um mich gut zu fühlen und falls nicht mich über mich selbst zu ärgern, weil ich immer so blöd bin meine Grenzen zu überschreiten für nichts und wieder nichts. Letzteres ist wie nachtreten, obwohl jemand am oden liegt.

So und wie oft trittst Du nach? Ärgerst Dich über Deine Handlungen, die dich schützen oder für Liebe sorgen sollen? Bist wütend, wenn andere nicht so reagieren, wie Du es geplant hast und gibst Dir selbst die Schuld? Ärgerst Dich dann darüber, dass Du Dir immer selbst die Schuld gibst und gelangst in eine Abwärtsspirale... und dann kommt jemand wie Brigitte und tritt ebenfalls nach.

Das Fazit

Wer Selbstliebe als Egoismus benutzt oder sein abwertendes Verhalten mit Selbstliebe rechtfertigt, scheint eine sehr verzerrte Auffassung von Liebe zu vertreten und sich eben selbst so gar nicht zu akzeptieren, sonst wäre er/sie nicht so abhängig von Bestätigung und würde beim Ausbleiben dieser so hart reagieren, in Form von oben genannten Aussagen.


Liebe bedeutet Akzeptanz.
Liebe ist bedingungslos.
Liebe ist etwas Leichtes.


Anerkennung, kann ein Anzeichen von Liebe sein.
Eine Beziehung ist an Bedingungen geknüpft.
Missverständnisse, Bewertungen, Sehnsüchte, Verletzungen sind schwer.


Wenn ich mir selbst mit Akzeptanz, Liebe, begegne, dann habe ich entweder ausreichend Sicherheit erlebt, die es mir erlaubt hat, für mich einzustehen und meine Bedürfnisse zu stillen, weil ich weiß, dass es nichts nutzt, mir etwas zu verbieten, was ich brauche und weil ich ausreichend Sicherheit und Vertrauen darauf habe, dass ich nicht abgelehnt werde, wenn ich mal nicht so bin, wie ich vielleicht gerne wäre.

Oder aber, es war ein harter Weg, mir diese Sicherheit zu erarbeiten, in dem ich unsichere Erfahrungen verstanden habe und es geschafft habe sie in mein Sein zu integrieren und destruktive Muster (Abwertung von Anderen oder mir selbst) mit Hilfe von Verständnis und Mitgefühl in konstruktive Muster voller Akzeptanz zu verändern.

In beiden Fällen begegne ich Anderen also mit eben dieser Akzeptanz und dem Wissen, dass jeder Mensch im Kern gut und in der Lage ist, sich zu aktualisieren.
Ich setze Grenzen, ohne Andere bewusst und offenkundig abzulehnen. Ich verstehe, dass Opfer Schutz und Sicherheit benötigen, ich bin mir bewusst, dass ich anders bin und ein Vergleich nicht hilft und ich strebe nach Selbstaktualisierung, weil ich mir darüber bewusst bin, dass das Leben ein Prozess ist, ich meine Meinung verändern und mein Wissen erweitern kann. Ich begegne Menschen die Zweifeln mit Mitgefühl, statt mit Mitleid, weil ich ausreichend Kapazitäten habe mit auszuhalten. Und ich brauche eben nicht permanent Bestätigung von außen und stelle mich nicht über Andere.

 
 
 
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