Paartherapie, Personzentrierte Beratung & Weiterbildung
zertifiziert durch die GwG e.V. & DGfB 

Die schützende Kraft der Wut

„Wut ist der Freund der auf Dich aufpasst, wenn Dir Unrecht geschieht und nicht der Feind, den es zu vermeiden gilt.“ Jennifer Angersbach

Eine Einleitung

Freude kennste, oder? Freude ist eine Basisemotion und ihre Funktion ist es sozusagen uns aufzuzeigen, wenn Bedürfnisse erfüllt werden, uns etwas Gutes passiert, wir angenehme Reize wahrnehmen. Dann freuen wir uns. 

Wut ist mehr oder weniger das Gegenteil, von Freude, gehört ebenfalls zu den Basisemotionen und zeigt uns auf, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt werden, uns etwas Schlechtes passiert, wir unangenehme Reize wahrnehmen. 

Also mindestens genau so wichtig, oder? 

Stell Dir mal vor, es gäbe Wut nicht mehr, stattdessen würden wir uns nur freuen. Die Welt wäre ohne Wut nicht friedlicher, sondern ein Schlachtfeld, weil niemand mehr Grenzen bemerken, geschweige denn setzen würde, unerfüllte Bedürfnisse, ich freu mich! Mir widerfährt Unrecht: "Juhuu!!!“

Gut, Horrorscenario, insbesondere das bereits ausgearbeitete in meinem Kopf, aber darum soll es gar nicht gehen, vielmehr darum, wie wichtig Wut ist und gleichzeitig aber auch, warum Wut für viele ein Gefühl ist, dass es zu vermeiden gilt, als schwach, unangenehm oder gar Unnütz abgetan wird. In diesem Beitrag, gibt es, wie immer einen fiktiven Dialog, diesmal sogar zwei: Wut als Implosion, nach Innen gerichtet und Wut als Explosion nach außen gerichtet. Diese Dialoge werden vermutlich etwas in Dir erzeugen, vielleicht Widerstand, vielleicht Frust, vielleicht Trauer und vielleicht fragst Du Dich, woher ich Dich so gut kenne.

Im Anschluss daran werde ich auf ein paar Fehlkonzepte eingehen und mit Impulsen und Argumenten die für Wut sprechen abschließen, aus denen Du vielleicht die für Dich richtige und vor allem machbare Lösung rausziehen kannst.

„Wer seine Wut untersdrückt, wird aggressiv, frustriert, verbittert oder / und resigniert“ - Jennifer Angersbach

Der Dialog 

Gestern mal wieder der Streit mit seiner Frau Eva: Er arbeite zu viel, sei kein guter Papa, müsse sich mehr durchsetzen, dabei tut er das doch für die Familie! Er ist dann nach unten auf die Couch, nachdem sie nur noch rumgeschrien hat.

Als er morgens vom Frühstückslärm, viel zu spät wach wird, stößt er sich den Zeh an der Türleiste, beißt die Zähne zusammen und setzt sich an den Tisch, wo seine Kinder fröhlich mit dem Essen spielen.

Seine Frau funkelt ihn wütend an.

„Papaaaa!“, rufen die Kids fröhlich. Sein Kopf tut weh. Warum machen die beiden immer so viel Krach?

Essen mag er eigentlich nicht, also gießt er sich nur einen Kaffee ein, starrt ins Leere.

„FRANK!“, fährt seine Frau ihn an.

Wie kann sie vor den Kindern nur so mit ihm sprechen? Er blickt sie an. Sie atmet schwer aus und schüttelt mit dem Kopf. Auf dem Weg zur Arbeit, wird er von der Polizei angehalten. Handy am Steuer. Er kommt zu spät zum Meeting. Danach bekommt er, via Mail einen Termin von seinem Chef zugesandt, angesetzt für 17:45Uhr. Feierabend ist um 17:30Uhr. Er ruft seine Frau an. Ob das sein Ernst sei, will sie wissen. Er lässt die Hasstirade über sich ergehen.

Als er nach Hause kommt, straft seine Frau ihn mit Ignoranz. Die Kinder vor dem Fernsehen geparkt.

„Können wir noch ne Folge?“, ruft seine 6-Jährige nun, begleitet von der Abschlussmelodie.

Eva ruft: „Nee, macht bitte aus. Wir essen jetzt.“

„Büttte!“, ruft die Große.

„EURE MUTTER HAT NEIN GESAGT!“, platzt es aus ihm heraus. Seine Tochter erschrickt, fängt an zu weinen, so kennt sie Papa gar nicht.

Eva läuft erschrocken zu ihr und sagt zu Frank: „Sag mal spinnst Du?“

„WAS DENN? Die sitzen schon genug vor der Glotze!“, sagt er herablassend. Seine Tochter kann sich kaum mehr beruhigen, weint heftiger. „Sie, sie ist keine 3 mehr!!! Mit Deiner KUSCHELPÄDAGOGIK kommen wir nicht weit!“ Er wendet sich seiner Tochter zu: „Ab auf Dein Zimmer! SOFORT!“

Sein Sohn (4) hält sich die Ohren zu.
„Ich will die Scheidung!“, sagt Eva
Frank schlägt mit voller Wucht gegen die Wand, sein Handgelenk schwillt auf die doppelte Größe an.
Eva weint, holt die Kinder und fährt zu ihrer Freundin.

- The End -

Als ich diesen Dialog postete, gab es Kommentare in verschiedene Richtungen, die einen sympathisierten mit Frank, dem armen Kerl, der doch lediglich versucht alles richtig zu machen, der scheinbar nicht gut genug scheint, nie reicht, sich versucht immer zusammenzureißen und sich eben nicht beschwert und beklagt und am Ende doch nicht reicht. Kein Wunder, dass es aus ihm heraus platzt.

Andere hingegen sympathisierten mit Eva, die arme Frau, die alles alleine machen muss, während er arbeitet und scheinbar alles andere wichtiger scheint als seine Familie, sonst würde er doch nicht so viele Überstunden machen. Es ist doch verständlich, dass Eva sich einen starken und zuverlässigen Partner wünscht, aber auf Frank ist eben kein Verlass, er kann sich nicht durchsetzen, und wenn sein Chef ihn braucht, dann wird die Familie unwichtig,

Bevor ich nun zur Auflösung komme, lassen wir das vielleicht kurz sacken und ich erzähle Dir eine weitere Geschichte von Wut, die Geschichte der Implosion, wie ich es gerne beschreibe.

Es ist 5:45Uhr, Lara schlurft müde in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen. Die Kaffeedose ist leer. Mann! Sie hatte Thorsten extra gebeten noch welchen mitzubringen. Hat er wohl vergessen, wie immer.
Sie öffnet den Schrank mit dem Müsli, Tee und den Backzutaten, in der Hoffnung wenigstens noch Instantkaffee oder Malzkaffee zu finden: Mehlmotten fliegen ihr entgegen.
Statt Kaffee im Bett entsorgt sie alle mehr oder weniger offenen Lebensmittel. Sie wird ja immer belächelt, wenn sie die Frischeclips benutzt!
Lara ärgert sich. Sehr. Warum muss sie jetzt eigentlich die Konsequenzen von Thorsten „Vergesslichkeit und Ignoranz“ tragen?

Als sie nun den Schrank mit Essig auswischt, kommt ihr 13-jähriger in die Küche: „Boah! Ich kotz gleich! Mama! Das stinkt voll!!!“

Lara atmet tief durch.

„Wo ist mein Müsli?“, fragt er, als er den leeren Schrank sieht.

„Das musste ich entsorgen…“, sagt sie.

„Ernsthaft?“, er ist empört und fragt anklagend: „Was soll ich denn jetzt essen? Haben wir Brot?“

Lara beißt die Zähne zusammen, ihr Frühstück fällt auch aus! Und Kaffee gibt‘s auch nicht! Und wenn ihre zwei Mitbewohner einfach mal auf sie hören würden, dann wäre beides da. Aber sie hört ja niemand!

Lara schüttelt nur mit dem Kopf.

Ihr Sohn stampft wütend zurück in sein Zimmer, während Thorsten pfeifend die Küche betritt, eine Tasse aus dem Schrank nimmt und fragt: „Was hat er? Ist das eigentlich ein besonders Talent von Dir schon morgens für schlechte Stimmung zu sorgen?“, neckt er seine Frau. „Wo ist der Kaffee? Und warum putzt Du um 6:00Uhr morgens?“

Lara implodiert, sie bekommt kaum Luft, geht schweigend an ihrem Mann vorbei und schließt sich im Bad ein. Dort beginnt sie zu weinen.

Ihr Mann klopft an die Tür und sagt: „Ich weiß zwar nicht, was los ist, aber hab Dir den Kaffee vor die Tür gestellt. Hatte den gestern nicht mehr ausgepackt. Sorry."

Nun ärgert sie sich darüber, dass sie nicht so gelassen ist, wie ihr Mann und sofort so wütend wird.

Ist die Wut ihr Problem? Oder eher das Unterdrücken dieser?

„Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt.“ ~ Buddha

Ich bin nicht sicher, wie Buddha das nun meinte, und wenn man googelt, scheinen sich auch Andere nicht wirklich sicher zu sein und es gibt, aus meiner Sicht viele Fehlkonzepte zu diesem Zitat beziehungsweise zur Wut.

Wut schein ein lästiges, unnützes Gefühl zu sein:

„Warum wirst Du so wütend? Können wir vielleicht sachlich und ruhig darüber reden?“
„Ich werde wütend, weil Du meine Grenzen überschreitest. Mir nicht zuhörst!“
„Glaubst Du das ändert sich, nur weil Du lauter wirst? Lol. Natürlich höre ich Dich - auch in normaler Lautstärke!“

Es wird häufig suggeriert, dass derjenige oder diejenige als schwach wahrgenommen wird: Jetzt wo Dir die Argumente ausgehen, wirst Du laut!

(Nee, ich werde laut, weil ich wütend bin und das aus dem Grund, dass Du einen Machtkampf führen willst, statt mich zu verstehen. Dir geht es scheinbar ums Recht, oder darum zu gewinnen. Mir geht es darum, dass meine Wahrnehmung und meine Gefühle und Bedürfnisse gesehen werden. Mir ist bewusst, dass meine Wahrnehmung nicht zwingend der universellen Wahrheit entspricht, aber meiner Wahrheit. Und niemand außer mir selbst, weiß besser, wann ich mich ungerecht behandelt fühle.)

Wut ist eine Basisemotion, die uns darauf aufmerksam macht, wenn wir Unrecht erfahren, nicht gehört werden, Grenzen überschritten werden.

Verdrängen wir die Wut oder halten daran fest (im Sinne von, sie darf nicht raus!) dann schaden wir vor allem uns selbst: Wir explodieren irgendwann, werden aggressiv, verletzend, provokant oder wir implodieren, spüren statt Wut eher Leere, bemerken weder Grenzüberschreitungen und zweifeln an unseren Bedürfnissen und unserer Wahrnehmung. Wir sind dieser Welt schutzlos ausgeliefert… 

Die Folgen: Verbitterung, Verzweiflung, Ohnmacht… bis hin zur Depression, zum BurnOut, oder anderen psychischen Erkrankungen.

Logisch, wenn mir die Fähigkeit Ungerechtigkeit zu empfinden abhanden kommt, wird mir Unrecht getan, denn nur ich weiß, was ich wann und wieviel ich brauche und geben kann, nur ich kenne meine Grenzen.

Die Auflösungen der WUT-Konflikte in den Geschichten

Zunächst einmal die Auflösung für Frank, der Mann der abends mit der Faust so fest gegen die Wand haut, dass seine Hand anschwillt und seine Frau ihn verlässt.

Wir wissen an Hand dieses kurzen Dialoges relativ viel über Frank, er scheint Schwierigkeiten damit zu haben Grenzen zu setzen, oder anders, darauf hinzuweisen, wann eine Grenze überschritten wird. Hierfür bedarf es einer gewissen Klarheit und Authentizität, ich sage bewusst Authentizität, weil Menschen nunmal interpretieren, wenn der gesagte Inhalt nicht zur Emotion passt. Das kann man bewerten und doof finden, oder es als Gegeben annehmen und sich dem zuwenden, was man beeinflussen kann: 

Sich selbst (zumindest, wenn man sich selbst versteht und sich selbst auch spürt). In jedem Fall, so schwer es eben aus Gründen, auf die ich gleich eingehen werde ist, sich selbst zu verstehen und zu fühlen, in jedem Fall ist es schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich andere Menschen so zu beeinflussen, wie wir das vielleicht gelernt haben (Ich liebe Dich, wenn Du brav bist! Ein Glaubenssatz, beziehungsweise eine Regel, die Du vielleicht als Kind beigebracht bekommen hast.)

Als Beispiel:

Du sagst, etwas zögerlich: „Am Samstag, kann ich Dir nicht helfen.“

Die Reaktion, aufgrund der zögerlichen, fast unsicher wirkenden Aussage, in der ganz klar transportiert wird: „Ich kann nicht!“ folgt eine Nachfrage, die sich auf die Unsicherheit bezieht: „Sicher? Warum denn nicht?“

Diese Nachfrage verunsichert Dich, es fühlt sich an, als würde das Gegenüber Dich nicht respektieren, warum nicht? Solltest Du es vielleicht doch möglich machen? Es scheint ja dringend zu sein…
Und plötzlich bist Du weg von Dir und beim Gegenüber

Nun könntest Du erneut klar formulieren und auch Deinen Widerstand bezogen auf das erlebte Unrecht des „nicht gehört werdens“  vehement sagen: „Ja! Ich bin mir sicher, sonst hätte ich es ja nicht gesagt!“

Das Gegenüber nimmt Dich vielleicht als zickig wahr oder als hart oder egoistisch und reagiert entsprechend: „Ach mann. Na toll!“ Es ist enttäuscht, vielleicht verärgert, klar, es braucht Hilfe und bekommt sie nicht. Nachvollziehbar.

Nun könntest Du auch das Bedürfnis und die Reaktion anerkennen und sagen: „Ja, doof.“

Durch die Anerkennung wird das Gegenüber etwas ruhiger, es fühlt sich verstanden und der Frust nimmt ab: „Na ja, ist halt so. Ich hätte vielleicht früher fragen sollen. Kannst Du ja nichts für.“

Und alles ist gut. Jeder behält seine Verantwortung, passt auf sich auf, reguliert Emotionen die aufkommen.

Kommen wir nun zurück zu Frank: Er scheint seine Gefühle und Bedürfnisse hinten anzustellen, aus Gründen: Angst vor Konsequenzen, Höflichkeit, Erziehung.
Er willigt dann, aufgrund der Nachfrage, ob er wirklich nicht könne, ein zu helfen und ärgert sich. Was widerum dafür sorgt, dass seine Frau sich später über ihn ärgert, erneut darf seine Wut nicht raus, aus Gründen… und das gelingt ihm allerdings nicht dauerhaft, irgendwann kommt seine Wut in Form von Aggressionen, vollkommen verzerrt raus, absolut unangemessen scheißt er seine Kinder zusammen, die absolut nichts mit dem Kollegen, der ihn um Hilfe gebeten hat, mit seinem Chef der ein Meeting angesetzt hat, oder mit dem Konflikt zwischen ihm und seiner Frau zu tun hat, raus.

Was passiert: Da zeigt er EINMAL WUT und all seine Ängste und Gründe warum er diese sonst unterdrückt werden wahr: Er verliert seine Familie. Er wird als schlechter Vater gesehen. Er verletzt. Er zerstört.
Was lernt er? Das es gilt Wut zu vermeiden, weil Wut zerstört. Er wird in seinem Denken und Handeln bestätigt.

Warum glaubt er denn Wut sei zerstörerisch, wie kam er auf den Gedanken, das Wut gleichzusetzen ist mit Aggression, ein Gefühl, dass es um jeden Preis zu unterdrücken gilt?

My name is History, an I repeat myself.

Vermutlich gab es in seiner Kindheit viel aufgestaute Wut bei seinem Vater, die dann abends in Form von Aggression an jemandem rausgelassen wurde, der sich nicht wehrt, von dem keine Gefahr ausgeht. Und zwar an ihm. 

So wollte er nicht werden, ein wütender, aggressiver Tyrann. Er hatte nicht die Möglichkeit einen gesunden Umgang mit Wut zu lernen. Wenn er mal wütend war, wurde er verprügelt, also war Wut schlecht und als er verstanden hat, das er Wut nicht zeigen darf, erlebte er die furchtbaren Folgen dennoch.

Wenn ich wütend bin, werde ich bestraft. Wut ist böse. Wut zerstört.

Und das, das haben nun auch seine Kinder erfahren.

Kommen wir nun zu Lara. Lara hat vielleicht ähnlich Erfahrungen gemacht, wie Frank. Als Tochter hat sie zusätzlich „Wut“ als eine männliche Emotion wahrgenommen, für die sie sich somit doppelt schämt, wenn sie diese verspürt. Und Scham lähmt. Ihr Schamgefühl ist bei Ärger und Wut somit wie eine Unterstützung, die dabei hilft diese Emotionen wegzudrücken. Sie implodiert, weint und ihre Wut richtet sich nur gegen sich selbst.

Vielleicht lag es aber auch an einer erlebten Parentifizierung, vielleicht gab es keine körperliche Gewalt und auch keine Wut, sondern eher Lethargie und damit einhergehende Ignoranz. Lara hat es sich zur Aufgabe gemacht für ihre Eltern zu sorgen, hat sich verantwortlich für deren Wohlbefinden gefühlt, weil sie direkt oder indirekt dazu aufgefordert wurde, weil die Eltern sich weder um sie, noch um sich selbst gekümmert haben. 

Das würde auch erklären, warum Lara die Konsequenzen für das Verhalten ihres Mannes trägt und den Fehler eher bei sich sucht. Vielleicht ist sie wirklich zu engstirnig? Zu verbissen? Zu unentspannt? Zu überfordert? Zu wenig belastbar? Alles Gründe, Ärger, Wut und Ungerechtigkeit für sich zu behalten. Immerhin ist ihr Mann ja auch nie wütend, sondern immer gut gelaunt. 

Er ist ihr ja sogar zugewandt, wenn sie nicht funktioniert. Und sie würde ihm am liebsten den Kopf abreißen, weil er mal was vergessen hat. 

Sie fühlt sich unverstanden, alleingelassen, ist traurig, verzweifelt und sucht den Fehler vor allem bei sich selbst. Klar, sie ist ja selbst Schuld! Und Eigenverantwortung ist ja wichtig. Und jetzt alles auf ihre Kindheit zu schieben, damit würde sie ihren Eltern ja Unrecht tun. Beide haben viel gearbeitet, ihre jüngere Schwester war Nachzüglerin und auch ihr Wohlbefinden hatte sie sich zur Aufgabe gemacht. Und ihr fehlte es ja an nichts, sie hat immer alles bekommen, was sie wollte, lebte in einen großen Haus und selbst heute unterstützen ihre Eltern sie immer wieder finanziell, wenn es um größere Anschaffungen geht. Also nein. Sie ist das Problem. Sie muss sich verändern. Darf nicht mehr so garstig und überfordert und anstrengend sein. Ein bisschen Bescheidenheit täte ihr gut.

Denkt die Frau, die morgens die Mehlmottenplage beseitigt, den Schrank mit Essig ausputzt und das alles ohne Kaffee, um den sie ihren Mann, der ebenfalls erfolgreicher Unternehmer ist und schon seit der Geburt ihres Sohnes mehrfach im Jahr zur Dienstreise muss und in der Regel erst spät nach Hause kommt, manchmal sogar so spät, dass sie bereits schläft. 

Lara sieht nicht ihre Not, ihr Leid, die Tatsache, dass sie viel alleine ist, die ganze Carearbeit, der Haushalt, die Erziehung, der Mental Load, die Fürsorge, die Verantwortung, alles liegt bei ihr. Doch sie sieht nur, wie sehr ihr Mann sich aufopfert und dennoch nett zu ihr ist.

Ich kann Lara verstehen, ich verstehe, warum sie ihre Wut unterdrückt. Und ich verstehe, warum Frank seine Wut unterdrückt. 

 

Es geht nicht um Schuld und um Eigenverantwortung. Es geht darum, dass beide einen Mangel haben. Einen Mangel an Selbstwert und einen Mangel an Emotionsregulation.

Und dieser Mangel der kann nur mit Unterstützung, Zuwendung, Mitgefühl und korrigierende Erfahrungen ausgeglichen werden. Und mit Wissen und Aufklärung.
Letzteres versuche ich hier in meinen Beiträgen, in Kombination mit meiner personzentrierten Haltung. Aber ohne eine Beziehung. Wir, als Du, der oder die gerade zuhört, kennen uns vielleicht gar nicht. Aber vielleicht kannst Du diese Hilfe mit jemanden hören, der oder dem Du vertraust, und diese Inhalte als Stütze nehmen Dich zu verstehen und verständlich zu machen, oder aber Du wendest Dich an mich. Was möglich ist, aber auch mit Wartezeiten einhergeht.

 

Innerhalb einer personzentrierten Beratung versuche ich Dich zu verstehen und helfe Dir mit meinem Wissen beim Explorieren, dabei neue Perspektiven und Erkenntnisse zu erlangen. Aber eben mit Dir, Deiner Hilfe und Deinen Emotionen und in Deinem Tempo.

So, kommen wir nun zur Auflösung, die Impulse für neue Perspektiven bietet und Dir nötiges Wissen an die Hand gibt, welches Dich unterstützen kann Deine vielleicht verzerrte und ablehnende Sicht und Einstellung zur Wut zu korrigieren:

Es gibt 6 Basisemotionen Angst, Wut, Freude, Trauer, Ekel und Überraschung.

Sie alle haben wichtige Funktionen:
• 𝗔𝗻𝗴𝘀𝘁: Schutz vor Gefahren/Verletzungen
• 𝗪𝘂𝘁: Aktionsmodus, Drohgebärde, Hinweis auf Unrecht oder einen Mangel
• 𝗙𝗿𝗲𝘂𝗱𝗲: Signal von Bedürfnisbefriedigung & zeigt uns positive Reize
• 𝗧𝗿𝗮𝘂𝗲𝗿: Abschied nehmen, neues zulassen (Veränderung & Loslassen)
• 𝗘𝗸𝗲𝗹: hindert uns Dinge die uns nicht gut tun zuzulassen
Ü𝗯𝗲𝗿𝗿𝗮𝘀𝗰𝗵𝘂𝗻𝗴: Aufmerksamkeit und Infos für neues (Lernen, Aha-Moment)

Gefühle sind (Warn)Signale, sie schützen uns, indem sie uns an unsere Bedürfnisse erinnern und helfen uns zu verstehen. Wenn ich ich die Gefühle zulasse, gelingt ein vertieftes Verstehen, was uns bei der Akzeptanz hilft.

Oft gibt es Anteile in uns (Erinnerungen an eine schambehaftete, ausgelieferte, oder/und furchtbare Erfahrung, in der wir gerne anders gehandelt hätten, haben wir aber nicht.)
Und anstatt uns vor Augen zu führen, dass es 𝗮𝗻 𝗱𝗲𝗿 𝗦𝗶𝘁𝘂𝗮𝘁𝗶𝗼𝗻 𝗹𝗮𝗴, fühlen wir uns schuldig, sind enttäuscht von uns und verstehen nicht, warum wir nicht xy gemacht / gesagt haben.

Wir blenden unsere „guten/nachvollziehbaren Gründe“ aus, betrachten die Situation aus der immer gleichen 𝗱𝗲𝘀𝘁𝗿𝘂𝗸𝘁𝗶𝘃𝗲𝗻 𝗣𝗲𝗿𝘀𝗽𝗲𝗸𝘁𝗶𝘃𝗲 (aus Gründen) und wollen so nicht (mehr) sein:

Zum Beispiel: schwach, abhängig, bedürftig, aggressiv usw.

Und dann gibt es Situationen, in denen wir unter bspw. „Wut“ gelitten haben:

Die wütende Mama, die geschrien hat, aggressiv war, uns verprügelt hat
Dann wehren wir uns gegen eine unserer Basisemotionen, weil wir genau darunter so viel Leid erfahren haben, wir haben Angst vor dem Gefühl der Wut, wollen in keinem Fall so sein/werden wie unsere Mama.

Dabei sind es nicht unsere Gefühle, die destruktiv sind, sondern unser Umgang damit.

Je mehr wir uns gegen ein Gefühl, das eben da ist, wehren, desto größer und unkontrollierbarer wird es. Nach Innen oder nach Außen.

• 𝗡𝗮𝗰𝗵 𝗔𝘂ß𝗲𝗻: Aggression (verbal / non-verbal)
• 𝗡𝗮𝗰𝗵 𝗜𝗻𝗻𝗲𝗻: Tiefe Verachtung des Selbst, Resignation, Verbitterung, Frustration bis hin zur Depression.

Also, was hast Du bereits gelernt, korrigiert?

  • Emotionen erzeigen Spannungen, Entspannung tritt ein, sobald das Gefühl gefühlt und reguliert werden durfte. Wut reguliert man durch das Aussprechen und Rauslassen von dem was man denkt und fühlt. Falls die Situation absolut unangemessen ist, kommt es zur Anspanung, diese kann auch durch Sport, durchs Fluchen, durchs Lästern oder in Gesprächen mit Anderen über die Situation reguliert werden.
  • Wut ist ungleich Aggression. Aggression ist das Resultat unterdrückter Wut, wie wir bei Frank gut beobachten konnten. Also es geht bei Wut und deren Regulation nicht darum, rumzubrüllen, verletzend zu werden, passiv aggressiv zu agieren oder gar gewalttätig zu werden, daher ist es durchaus angemessen und auch nicht unhöflich, wenn ich dem Chef gegenüber klar und auch verärgert meinen Unmut äußere. „Herr Schultze, meine Arbeitszeit endet bereits um 17:00Uhr, ein etwaiges Meeting nach Feierabend kann ich nur nach rechtzeitiger Ankündigung wahrnehmen.“
  • Wut ist ein Grenzmarker und sicherte bereits in der Steinzeit unser Überleben, eine Drohgebärde sorgt dafür, dass Grenzen nicht überschritten werden. Du empfindest Wut, wenn Du Dich ungerecht behandelt fühlst, wenn Du Dich nicht verstanden, gehört, gesehen fühlst, wenn Du das Gefühl hast, Deine Grenzen werden überschritten, kurz bei jedem unerfüllten Bedürfnis oder unangenehmen Reizen empfindest Du Wut. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass jemand Dich nicht versteht, Dir weh tun möchte oder Deine Grenzen überschreiten will, sondern, dass Du das Gefühl hast und Du kannst darauf hinweisen, nach Möglichkeit authentisch und kongruent, also in Übereinstimmung mit Inhalt und Gefühl:

 

„Nein! Ich kann am Samstag nicht!“

 

„Mann, wo ist der Kaffee???“

 

„Entschuldigung???“

„Nee, Du hast mich nicht verstanden!“

„STOP! Es reicht jetzt.“
„Warum nicht?“
„Das ist doch scheiße!“
„Ich will das nicht!“

 

 

 

 

Das alles ist nicht zwangsläufig unhöflich, sondern Du sorgst für Dich und machst Deinem Ärger Luft und vielleicht sind die Reaktionen die dann kommen auch verärgert, weil sich das Gegenüber unverstanden, nicht gesehen fühlt. Aber vermutlich eben in einem angemessenen Verhältnis. Laras Mann hätte vielleicht gesagt: „Oh, sorry, im Auto!“, sein Fehler, weiß er, aber als Lara es bemerkt hat, war er noch am Schlafen und hatte seinen Fehler nicht auf dem Schirm, also konnte er Laras Wut nicht aushalten und nicht lindern.

In der Regel reagieren wir auf angemessene Wut mit Besänftigung, Wut ist eine Drohgebärde, auf Drohungen weichen wir in der Regel zurück, es sei denn, es geht um so viel mehr, als den Kaffee und dann ist die Reaktion vielleicht unverhältnismäßig. Wenn Lara also all ihren aufgestauten Frust , ihre Wut an dem Morgen rausgelassen hätte: „Verdammt Thorsten! WO IST DER KAFFEE! STÄNDIG vergisst Du was! Nie kann ich mich auf Dich verlassen! Meine Fresse.“ Dann wäre eine angemessene Reaktion von Thorsten: „Lara, mach mal halblang! Was kackst Du mich hier so an?“

Ohne adäquater Regulation verlieren wir die Kontrolle, werden aggressiv, wollen verletzen.

Im Gegenteil zu Trauer bspw. Versetzt Wut und in Aktion, verleiht Stärke, nutzen wir diese Kraft nicht, sondern sparen sie uns für später auf, explodieren oder implodieren wir irgendwann, wie eine Art Kurzschluss, weil zu viel Spannung auf der Leitung ist.


  • Wer auf Unverschämtheiten höflich und lächeln reagiert, ärgert sich oft noch lange danach. Unsere Wut lässt uns nicht vergessen, weil sie auf uns aufpasst und auf uns achtet, wie ein guter Freund und eben nicht wie ein Feind den es zu vermeiden gilt.

 


Falls Du die Art, wie ich die Themen aufbereite magst, hier findest Du eine Übersicht über weitere Themen. Auf Instagram gehe ich zwar nicht ganz so intensiv und detailliert auf die Themen ein, aber dafür gibt es dort deutlich regelmäßiger Input und Du hast Die Möglichkeit Deine Gedanken im Kommentar zu teilen oder Fragen zu stellen. 



 
 
 
E-Mail
Karte
Infos
Instagram
LinkedIn